Innere Stille finden – durch Einkehr ins Herz
4 min Lesezeit | veröffentlicht am: 18.08.2024
Die Zeichen der Zeit stehen auf „Lautstärke“. Es geht dabei nicht nur um äußere Lärmquellen, die unsere Ruhe stören und unser Nervensystem belasten, sondern vor allem um den sogenannten „inneren Lärm“: eine ständige Flut von Gedanken und Gefühlen, unsere Gier nach vermeintlich überlebensnotwendiger Information und Vernetzung. Diese Form des Getriebenseins ernährt sich weniger aus den äußeren Anforderungen und Umständen, sondern vor allem aus unserer oftmals unbewussten und tiefgreifenden Angst. Je abgesicherter unser Leben wird, desto deutlicher fühlbar wird unsere Angst vor Verlust des Gewohnten und dem ungewissen, unbekannten Leben.
Siehe passend zum Thema Stille: Was ist real? und die Essenz von Advaita Vedanta
Orte der Stille
In dieser Zeit, in der sich unsere westliche Gesellschaft immer mehr entfernt von Verinnerlichung und der Nähe zu dem, was wir Gott nennen, erwacht in Menschen zunehmend der Wunsch, Orte der Stille aufzusuchen und dort Seelennahrung zu finden.
So sehr wir uns auch nach Alleinsein, nach Ruhe und Gelassenheit sehnen, so sehr fürchten wir oft, uns alleine, innerlich leer, bedürftig, gelangweilt oder ängstlich zu fühlen. Wenn der Trubel unseres Treibens nachlässt, kommen wir mit dem in Kontakt, was wir sonst vermeiden.
Für die meisten Menschen braucht es die äußere Manifestation eines Ortes der Stille, um wirklich in innerer Stille anzukommen. In einem Kloster, einer Kirche, einem Ort der Meditation und Einkehr ist ein Entzug von weltlichem Leben, von allzu ausführlichem Sprechen und Denken, von Bildern und Beschäftigung möglich. Indem wir uns dessen enthalten, womit wir uns sonst anfüllen, können wir erkennen, was uns wirklich antreibt in unserem alltäglichen Leben; wir beginnen, die tieferen Motivationen und Antriebe unserer Lebensführung zu sehen. Man könnte auch sagen: Wenn es still wird, geht der Lärm oft erst richtig los! So sehr wir uns auch nach Alleinsein, nach Ruhe und Gelassenheit sehnen, so sehr fürchten wir oft, uns alleine, innerlich leer, bedürftig, gelangweilt oder ängstlich zu fühlen. Wenn der Trubel unseres Treibens nachlässt, kommen wir mit dem in Kontakt, was wir sonst vermeiden. Im stiller werdenden Herzen tauchen Gefühle auf, die wir verdrängt haben, spüren wir Angst, Zorn oder Bedürftigkeit, und nehmen möglicherweise wahr, dass wir leiden. Es wäre also zu einfach zu glauben, dass Stille dasselbe ist wie „unsere Ruhe zu haben“.
Der Unterschied zwischen Ruhe und Stille
Der Weisheitslehrer OM C. Parkin spricht von zwei Arten der Stille: die Ruhe vor dem Sturm und die Stille nach dem Sturm. Darin liegt die feine, aber wesentliche Unterscheidung dieser beiden inneren Zustände. Wenn wir unsere Ruhe haben und dem inneren Sturm nicht begegnen wollen, dann muss Ruhe immer verbunden sein mit dem Vermeiden, Ignorieren, Beschwichtigen unseres inneren Sturms, der ja auftauchen könnte, wenn Ablenkungen nachlassen. Diese Ruhe schenkt uns eine kurze Auszeit, ist jedoch labil und in dem nächsten Moment wieder vergangen, in dem uns etwas berührt, was uns nicht gefällt, schmerzt oder ärgert.
Aus der Tiefe der Weltenseele | Weisheitstexte gelesen von OM C. Parkin
Mit Ambient-Musik von Matthias Grassow
In einem stillen Geist – in vollkommener Bereitschaft zu hören – öffnet sich das Tor zur Seele, die diese Botschaften aus der einen grenzenlosen Wirklichkeit, aufzunehmen vermag. Das gesprochene Wort ist eingebettet in eine Klangkulisse die der Ambient-Musiker Mathias Grassow gestaltet hat.
Diese Kompositionen können wie eine Meditation auf den Zuhörer wirken. Sie erlauben der Aufmerksamkeit immer tiefer nach innen zu fallen und sich von den Worten der Meister berühren zu lassen.
Die Stille, die uns wirklich nährt und unsere innere Mitte stärkt, ist die Stille NACH dem Sturm, vielleicht sogar im Sturm selbst. Die Weisheitslehre aller spirituellen Pfade beschreibt den stillen Geist, der sich weder weg, noch irgendwo hin oder gegen etwas bewegt. Stille in diesem Sinne kann im Zustand der Meditation erlebt werden. Im Begriff „Meditation“ ist das lateinische Wort medius enthalten, also das mittlere, die Mitte. Indem wir beginnen zu beobachten, wie wir gegen das Leben, uns selbst, die Realität kämpfen, etwas Besseres wollen oder auf der Flucht sind, indem wir für einen Moment ganz still sind und nichts tun, außer fühlend anwesend zu sein, erfahren wir einen Moment der Stille. Genau genommen ist diese Form der Meditation dann keine Technik, die wir hin und wieder ausführen, um ruhig zu werden, sondern zeigt uns den stillen Ort in unserer Mitte, der unsere Gefühls- und Gedankenstürme genauso beinhaltet wie die Momente von Frieden und Liebe.
Stille ist kein Idealzustand
In sich selbst zu ruhen, bedeutet Vertiefung. Und Vertiefung ist nur möglich im Einlassen. So ist Stille nicht das Produkt der Abwendung von uns, von kindlichen Gefühlen und Bedürfnissen, störenden Gedanken, Zweifeln und Befürchtungen, sondern die Frucht des immer tieferen Einlassens und „Hindurchtauchens“ durch all das, was uns nahe kommt. Das stille Lieben dessen, was IST, lässt uns im Einklang sein: es macht das Herz weiter, entleert den Kopf von zu vielen Gedanken, füllt den Bauch, so dass wir Ruhe finden – auch im Alltag. Es ist wesentlich, die Stille zu keinem hohen Ideal werden zu machen, nach dem wir streben und es selten berühren. Wir können jeden Moment nutzen, um tiefer zu tauchen als die Oberfläche der Erscheinungen und uns für das zu interessieren, was ist.
„Jeder Geist, der still geworden ist, ist in Frieden. Und diese Stille ist keine betäubende Stille, keine Stille, die irgendwelche Unannehmlichkeiten ausschließt. Nein, es ist die Stille, die hinter allem und in allem ist. Erinnere dich wieder dieser Stille! Du hast lange genug mit dem Lärm der Welt gelebt, innen wie außen. Stille ist immer da, und sie ist vollkommener innerer Frieden.“ (OM C. Parkin)
Verweise im Text:
*aus „Neun Portraits der Seele“ von Sandra Maitri, j.kamphausen
Weitere Literaturempfehlungen zum Thema:
OM C. Parkin: Auge in Auge mit dir selbst
Gangaji: Freiheit und Entschlossenheit – Der schmale Grat der Hingabe
Daniela Jodorf: Saraswati – Der Fluss des Lebens
Saritha M. Wimmer: Überfließende Schlichtheit. Vom Tropfen zur Quelle
OM C. Parkin: Intelligenz des Erwachsens – Die spirituelle Neugeburt des Menschen, Kap. 1 Ein Geist – Dialog, S. 70, 3. Auflage, 2019, advaitaMedia.