Beten und Arbeiten, Ora et labora – in unserer Zeit?
6 min Lesezeit | veröffentlicht am: 02.09.2024
In einem sehr alten Text aus einer Überlieferung der mündlichen Traditionen der Wüstenväter, steht geschrieben: „Es sagte ein Alter: Wie auf einer begangenen Straße nie Grünes aufgeht, auch nicht, wenn du Samen auswirfst, weil der Ort zertreten wird, so ist es auch mit uns: Ruhe von jedem Geschäft, und du siehst Wachsendes, von dem du nicht wusstest, dass es in dir war, weil du darauf herumgegangen bist“. (1)
Es ist das Innehalten, das Heraustreten aus unserem gewohnten Ablauf, in dem uns die Stille bewusst werden kann. Die Stille, die in uns ist und die wir vor lauter Beschäftigung immer überhören. Vielleicht ist es nur ein kleiner, ein leiser und sanfter Moment. Schon im nächsten Moment lenken wir uns wieder ab, halten es nicht aus in dieser Intimität mit uns zu verweilen. Denn wir haben es nicht gelernt.
Uns Zeit nehmen und lernen, dabei kann uns das Beten dienen. Beten kann sehr einfach sein. Es kann das wiederholen eines Wortes sein, ein Bild, das wir betrachten, es kann ein gesprochener Satz sein oder in stiller Betrachtung geschehen. Beten können wir in Gemeinschaft oder für uns alleine. Es kann dienlich sein dafür bewusste Zeiten und Räume zu haben. Vielleicht am Morgen nach dem Aufstehen, während einer stillen Meditation oder dem Lauschen der Natur. So fällt es uns leichter den inneren Zugang zum Gebet wieder zu entdecken und ihn in uns zu verwurzeln.
Gleichzeitig ist es wertvoll diese Erfahrungen mit in den Tag zu nehmen und während der Arbeit zu pflegen. So können wir lernen, die automatischen Abläufe unseres Handelns zu durchbrechen und bewusste Augenblicke zu erleben. Mit der Zeit geschieht es, dass die Erfahrungen aus der Stille in die Handlung übernommen wird. Vielleicht fangen wir an wahrzunehmen, wie unser Körper sich während der Arbeit anfühlt. Oder wir werden uns bewusst, dass wir etwas in die Hand nehmen. Auch Gedanken fangen an, uns bewusst zu werden, während wir sie denken. Es sind die vielen kleine Dinge, die uns mehr und mehr bewusst werden, während wir sie tun.
Meditation und Beten sind also nicht getrennt von unserem Alltag, unserer Handlung und unserer Arbeit. Im Gegenteil, es durchdringt sich mehr und mehr. Und wie schon bei den Wüstenvätern können wir von einem immerwährenden Gebet sprechen, das nicht mehr ein bestimmter zeitlicher Raum ist, sondern zu einer Haltung, zu einem Leben wird. „Das Gebet der Vereinigung“, wie Johannes vom Kreuz es genannt hat.
Teil unserer Arbeit kann dabei das studieren sein. Eine Auseinandersetzung mit Texten und Schriften, die uns in unserem Gebet unterstützen. Dabei spielt es keine Rolle aus welcher Tradition eine Schrift stammt. Es ist die innere Berührung, die dabei wesentlich ist.
Manchmal ist es mühsam dranzubleiben und einen Text zu durchdringen, so dass man ihn mit dem Herzen versteht. Vielleicht ist es das, was Beten, Arbeit und Lesen verbindet, und gemeinsam den Zugang zur Stille öffnen kann. „Ora et labora et lege, Deus adest sine mora.“ „Bete und arbeite und lies, so ist Gott da ohne Verzug.“ So schrieb Benedikt von Nursia.
Muni Konradi
(1) Beten mit den Wüstenvätern, Pia Luislampe OSB, Beuroner Kunstverlag, 2016, S.51